Ein Kampf gegen die Massen. Ein Kampf gegen die Emotionen. Was sollte alles mit den Sachen in dem Haus meiner Mutter geschehen? Ich lebte mittlerweile über 8 Monate in dem Haus meiner Mutter. Der Entschluss auszuwandern war gefallen. Aber so einfach Sachen packen und gehen, ging nicht. Es war so viel zu tun, bevor ich überhaupt daran denken konnte zu gehen. Also um es genau zu sagen: Wahnsinnig viel zu tun!
Durch meine Entscheidung, dass ich auswandern würde, war die Situation natürlich noch einmal etwas krasser. Ich musste wirklich ganz genau entscheiden, was ich mit nach Dubai nehmen wollte und vor allem könnte.
Aber wie sollte ich diese Berge an Sachen loswerden? Im Internet hatte ich schon angefangen die ersten Sachen zu verkaufen. Aber es war einfach so viel. Und alles zu fotografieren und online zu stellen, hätte Jahre gedauert.
Eine Lösung musste her!
Und so entstand die Idee, mein Haus zu einem “kleinen Shop“ umzubauen. So fing ich also an, alle meine Kisten auszupacken, meine Kleiderschränke auszuräumen und ebenfalls die Sachen meiner Mutter auszusortieren. Der letztere Part, war wirklich der Schwerste. Da sitzt du also alleine in dem Haus deiner Mutter und musst durch all ihre Sachen gehen und dich entscheiden, was du behältst und was du weggibst.
Wie viele Tage und Nächte ich damit verbracht habe, ihre Sachen anzuschauen und immer wieder in Gedanken versunken darüber nachgedacht habe, wo sie nun wohl ist, was sie in ihren letzten Stunden gemacht hat und ob sie wusste, dass sie stirbt. Das sind so unheimliche Gedanken, die einem durch den Kopf gehen. Man will produktiv sein, sich um alles kümmern, aber immer wieder wird man durch Flashbacks oder Trauer unterbrochen.
Diese Zeit war einfach so unfassbar hart, traurig und nur schwer zu ertragen.
Aber ich kämpfte mich durch die Massen und die Aufgaben und hatte es am Ende geschafft, in der untersten Etage meines Hauses einen kleinen Mädchenflohmarkt oder fast schon eine kleine Boutique aufzubauen. Mit Kleidung, Schmuck und Accessoires von meiner Mutter, meiner Oma und mir.
Ich entschied ich mich zu diesem Zeitpunkt auch, meinen Onlineshop zu schließen und fing an, alle Sachen, die noch im Bestand übrig waren, ebenfalls zu verkaufen. Ich hatte einfach keine Zeit und Kraft mehr, mich auch noch um den Onlineshop zu kümmern und da ich ihn von Dubai aus sowieso nicht mehr hätte weiterführen können, war das die einzige Lösung
Im April 2017 startete ich also meine erste Verkaufsaktion zu meinem selbst ernannten Mädchenflohmarkt.
Verteilte Flyer in den Straßen, in Schulen, in Einkaufsläden, Eisdielen und stellte sogar kleine Schilder in den Gehstraßen auf. So stand ich dann also über 2 Wochen, in meiner “kleinen Boutique“ und verkaufte die ersten Teile.
Meine kleine Aktion sprach sich auf den Dörfern ziemlich schnell rum und so hatte ich das Glück, dass ich an manchen Tagen wirklich von Morgens bis abends volle Bude hatte. Es gab aber auch Tage, an denen niemand kam. Und auch wenn immer mehr Teile verkauft wurden, es nahm einfach kein Ende und ich zweifelte immer wieder daran, dass ich das wirklich alles schaffen könnte.
Noch immer stand das ganze Haus voll mit Sachen. So erweiterte ich dann in den nächsten Tagen, meinen kleinen Mädchenflohmarkt um noch einen weiteren Raum und verkaufte zusätzlich schon den ersten “Trödel“.
Oft kam die Frage, wieso machst du das alles? Warum verschenkst du nicht einfach alles oder schmeißt es einfach weg?
Meine Antwort war immer die Gleiche. Ich konnte die Sachen nicht einfach so weggeben. Da waren viel zu viele Emotionen mit verbunden. Viele Sachen waren von meiner Mutter und ich wollte wissen, wer diese Teile bekommt und das er sie auch zu schätzen weiß. Wie oft jemand etwas anprobierte und kaufte und ich mich so sehr freute, die Sachen an jemand anderen zu sehen und nicht einfach nur in einem Sack in einer Altkleidersammlung.
Außerdem waren auch so viele Sachen dabei, die nicht nur einen emotionalen, sondern einen materiellen Wert hatten. Und ich hörte immer wieder meine Mutter über meine Schulter sagen: „Das kannst du doch nicht einfach weggeben“!
Und so konnte ich mit dem Verkauf der Sachen einfach besser mit allem abschließen und wusste am Ende, dass in vielen Haushalten nun Teile von meiner Mama, meiner Oma und von mir weiterlebten.
Am Ende der 2 Wochen des Mädchenflohmarktes waren zwar schon viele Sachen verkauft, aber das ganze Haus war noch immer voll. Und viele der Kartons waren noch nicht einmal ausgepackt. Und so folgte nach dem Mädchenflohmarkt eine riesige Aktion, in der ich das komplette Haus auf links drehte und nun nicht nur 3 Räume zu Verkaufsräumen umgestaltete, sondern das ganze Haus + Keller und Garage zur Verkaufsfläche wurden. Der ganze Spaß fing also von vorne an. Umräumen, auspacken, aufbauen.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie das an meinen Nerven gezogen hat. Die meisten Tage in dieser Zeit war ich einfach komplett ausgebrannt, schlief im Schnitt ca. 4h und war wie immer auf mich alleine gestellt. Ständig zwischen diesem Chaos aufzuwachen und zu leben und sich jeden Tag neu anzutreiben.
Es war der Horror. Aber es sollte noch schlimmer kommen.
So saß ich also eines Morgens in der Küche und bekam einen Anruf. Dieser Anruf sollte wieder einer dieser Anrufe werden, der mich in einen Schock versetzten sollte. Ein Arbeitskollege von meinem Mann meldete sich bei mir mit der Info, dass mein noch Ehemann, mit dem ich noch immer sehr eng befreundet war, einen Motorradunfall in Wien gehabt hätte. ( Er hatte gerade einen neuen Job in Wien angeboten bekommen und befand sich in der Probezeit. )
Ich sollte seinem Chef doch bitte die Nummer von der Mutter meines Mannes geben.
Er konnte mir nicht viel sagen. Nur so viel, dass er einen schweren Unfall gehabt hätte.
Ich hatte Angst. Angst, dass etwas Schlimmes passiert war. Nachdem ich seine Mutter informiert hatte, fing das unerträglich Warten an.
Ich wurde innerlich immer unruhiger und wollte unbedingt wissen, was passiert war und wie es Mohamed ging.
Nachdem ich nach 2 Stunden nichts gehört hatte und mittlerweile komplett nass geschwitzt war, rief ich seine Mutter an. Nichts… Keine neuen Infos.
Dann rief ich seinen Chef an. Der nahm allerdings sein Telefon nicht ab.
Das konnte doch alles nicht wahr sein. Mein Kopf malte sich immer wieder schlimme Bilder aus. Ich konnte nicht fassen, dass schon wieder etwas Schlimmes passiert war. Und dann auch noch mit dem zweitwichtigsten Menschen nach meiner Mutter. Und die war ja nun schon nicht mehr da.
Dann klingelte endlich mein Handy. Ein Anruf von seinem Chef. Ich nahm ab.
Und dann hörte ich erneut diese Worte, die mich erst vor ein paar Monaten komplett umgehauen hatten.
Als er durch das Handy sagte, was passiert war, erstarrte ich. Dann brach die Verbindung ab.
Ich stand da. Völlig regungslos. Ich fragte mich, ist das wirklich passiert? Hat er das gerade wirklich gesagt? Ist nun wirklich auch noch Mohamed aus dem Leben gerissen worden????
Ich hab über ein paar Minuten da gestanden und mein Hirn konnte diese Information einfach nicht greifen.
Ich lief zu meinen Nachbarn, die einzigen Leute die ich kannte, die mein Mann kannten und zu denen ich Meldorf überhaupt irgendeinen Bezug hatte. Erst als ich die Worte selbst wiederholte und hörte, was ich sagte, wurde mir klar, was passiert war. In mir brach alles zusammen!
Nach all dem, was passiert war. Nach all dem, was ich hinter mir hatte und was ich gerade noch erlebte, wurde mir dann erneut mein Herz entrissen.
Mein Mann, mein Lebensgefährte, mein Freund, meine einzig noch übrig gebliebene Bezugsperson und der Mensch, der mich über die letzten 14 Jahre begleitet hatte. Er war einfach weg. Einfach aus dem Leben gerissen. Mit nur 35 Jahren.
Das war zu viel für mich. Ich konnte und wollte das alles nicht wahrhaben. Hatte ich doch noch nicht einmal den Schock mit meiner Mutter verarbeitet.
Und nun das Nächste?
So fing ein noch viel härteres Kapitel in meinem Leben an. Ich dachte, nachdem meine Mutter starb, hätte es nicht schlimmer kommen können. Aber das mir nun auch noch Mohamed genommen wurde. Was war die Welt ungerecht!
Es sollte also alles wieder von vorne beginnen. Verabschieden, Beerdigung, Papierkram, diese schrecklichen Telefonate und Nachrichten an Freunde und das Regeln des Nachlasses. Und da wir noch immer verheiratet waren, war auch ich es wieder, der für alles verantwortlich war.
Ich war es so leid. Ich war so sauer auf das Leben und hatte kaum noch Kraft. Weder nervlich noch körperlich.
So flog ich also völlig fertig nach Wien und kümmerte mich um alles, was nötig war und verabschiedete mich ein letztes Mal von meinem Mann.
Diese ganze Situation war kaum zu ertragen. In diesen Momenten waren es sonst meine Mutter und mein Mann, die mich wieder aufbauten und mit denen ich gesprochen hätte. Aber sie waren einfach beide nicht mehr da. Beide! Ich war zu unfassbar traurig und fühlte mich so allein im Universum.
Das ganze Spiel begann wieder von vorne. Die Situation verarbeiten und unter Schock funktionieren.
In Berlin wartete dann unsere gemeinsame Wohnung auf mich. Und während ich mich um all den Nachlass im Haus meiner Mutter kümmern musste, kümmerte ich mich dann auch noch um das Leerräumen der gemeinsamen Wohnung in Berlin. Die Wohnung, in der wir 5 Jahre zusammengewohnt hatten. Wieder Sachen verkaufen, wieder mit Momenten und Emotionen konfrontiert sein und irgendwie Abschied nehmen.
Der Kampf dauerte dann erneut ein paar Monate. Alles im Alleingang. Keiner war da. Selbst meine “Freunde“ waren auf einmal alle nicht mehr da. So lernt man halt auch gerade in solchen Zeiten, wer wirklich für einen da ist, wenn man alles im Leben verloren hat und es einem wirklich schlecht geht. Aber nach 3 Monaten, alleine renovieren, ausräumen und Abschiedsfeier für meinen Mann organisieren, verabschiedete ich mich im September von allem, was in Berlin noch übrig geblieben war und kehrte zurück in das Haus meiner Mutter, um direkt dort weiter zu machen.
Denn es wartete wieder eine Menge Arbeit auf mich und ich musste mich zusammenreißen, um das alles zu schaffen.
Stark sein und bloß nicht den Kopf hängen lassen war die Devise.
Wie es nach dem Tod meines Mannes weiter ging, wie ich das Haus verkaufte und meinen Abschluss auch in Meldorf schaffte, lest ihr in meinem nächsten Artikel.
Mit Tränen in den Augen hab ich deine Beiträge gelesen. Du bist so eine tapfere und starke Frau. Ich wünsche dir nur das Beste…..
Hallo Fiona,
ich ziehe den Hut vor Dir, was du alles gemacht hast- weil du es musstest!!Es tut mir sehr leid für dich, was du die letzten Monate erlebt hast – da fragt man sich wirklich : was soll das , lieber Gott? !!!! Es tut mir auch so leid, dass du wirklich niemanden hast/hattest, der dir geholfen hat 🙁!!! Und deshalb kann ich deine Entscheidung nachvollziehen- was soll dich noch halten? ?!!! Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft und vor allem einen Menschen an deiner Seite, der dir endlich hilft und für dich da ist!!! Ganz liebe Grüße
Sabrina Cornelius
Liebe Fiona,
beim Lesen habe ich Gänsehaut und Tränen in den Augen. Immer wenn ich in Akouda bin, muß ich an dich und deinen verstorben Mann denken. Mein Schwager hat euch vor langer Zeit in Sousse in Bled El Arbi getroffen. Er erzählt immer wieder, was dort ein netter, sympathischer und freundlicher Mensch dein Mann war.
Ich wünsche dir von Herzen alles Gute für deine Zukunft. Du bist wundervoll!
Liebe Grüße aus Sousse,
Isabel
Wow du bist wirklich so tapfer und so eine starke Frau. Ich bin auf deinen Blog aufmerksam geworden weil ich selbst Dubai liebe und es interessant fand was du darüber zu berichten hast. Aber die Geschichte mit deiner Mama und deinem Mann haben mich grade wirklich zum weinen gebracht. Vor allem das du das alles alleine durchstehen musstest 🙁 die Welt ist so grausam. Ich werde jetzt erstmal weiter lesen. Fühl dich gedrückt du bist nicht alleine ♡♡♡
Ich glaube ich hätte das nicht geschafft und schon gar nicht alleine. Alleine schon die Vorstellung macht mich unendlich traurig. Du hast meinen vollen Respekt dafür. Es ist auch sehr schade das sich die “ Freunde“ dann auch noch verabschieden.
Alles Gute für einen Neustart in Dubai und jetzt kann und wird es nur mehr bergauf gehen.
Du bist eine unheimlich sympatische und starke Person.
Aber ich weiß, was es heißt durch Sch… bis zu den Hüften sich ALLEINE durchzukämpfen, weil die sogenannten Freunde sich plötzlich in Wohlgefallen auflösen, nicht mehr erreichbar sind, fadenscheinige Ausreden von sich geben und und und…
Aber weißt Du was:
Starke Menschen, starke Frauen wachsen an diesen Situationen sowas von über sich hinaus…und weinen… weinen tun wir eh alleine in unserem stillen Kämmerlein.
Drück Dich ganz dolle unbekannterweise.
Den allergrößten Respekt und Hochachtung vor Dir!!! Du hast das Schlimmste durchgemacht was man sich vorstellen kann und bist durch die schwerste Zeit deines Lebens gegangen.
Jetzt kannst du einen Neuanfang machen und deine Mama und dein Mann sind immer bei dir in deinem Herzen und wünschen sich, dass du glücklich bist! Wünsche dir ganz viel Glück in Dubai!
Liebe Fiona,
mich beeindruckt dein Block sehr, es berührt mich und treibt auch mir die Tränen in die Augen. Meinen absoluten Respekt und Hochachtung, Es ist wahrhaft tapfer, stark und mutig, wie du dich nach solch harten Schicksalsschlägen in die „Normalität“ zurück kämpfst und dein Leben mit Zuversicht, Energie und Lebensfreude meisterst. Mach weiter so und lass dich niemals unterkriegen!
Ich persönlich glaube an „Etwas“ nach dem körperlichen Tod und denke, deine beiden Lieblingsmenschen sind unglaublich stolz auf dich.
Alles Gute, Kraft, Mut, Glück, Liebe und Vertrauen
Anja
Hallo Fiona. Ich bin einfach nur sprachlos was ich lese. Es ist unglaublich was du durchgemacht hast und niemand war für dich da. Das Leben kann manchmal ungerecht sein, aber ich bin mir sicher das du dadurch eine unglaubliche starke Frau geworden bist und nichts auf dieser Welt kann dich noch verletzten oder kaputt machen, weil du sehr stark bist. Ich wünsche dir vom Herzen nur das beste für dein zukunft und ich werde weiterhin dein Follower bleiben. Alles liebe und gute aus der Schweiz.
Ich habe gerade wirklich Tränen in den Augen. Sehr bewegend und schön geschrieben.
Alles Gute
Danni